Um den zehnten Geburtstag der deutschen Sektion des Vereins Women In International Security (WIIS), WIIS.de, gebührend zu feiern, richtete der Verein am 14. November 2013 die Konferenz „Macht & Verantwortung. Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik nach der Wahl“ in der Vertretung des Freistaates Bayern beim Bund aus. Dank der tatkräftigen Unterstützung des Bundespresseamts, des Bundesministeriums der Verteidigung, der US-amerikanischen Botschaft und der EADS GmbH, diskutierten einen Tag lang siebzehn hochkarätige und internationale ReferentInnen aus Politik, Wissenschaft, Militär und Medien mit über 130 TeilnehmerInnen.

Im Zentrum der Vorträge und Diskussionen standen dabei drei zentrale Fragen:

 

1.      Welche konkreten außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen und Krisenphänomene bestimmen die politische Agenda heute und in der absehbaren Zukunft?

2.      Welche Rolle bei der Bewältigung dieser Aufgaben wird und muss Europa und insbesondere Deutschland zukommen?

3.      Wie lassen sich in diesem Rahmen internationaler Handlungsdruck und die Festlegung eigener Ziele und Strategien miteinander verbinden?

 

Die Rolle von Frauen in der Sicherheitspolitik – sei es als Ideengeberinnen und Agendasetter, sei es als Politikerinnen, Diplomatinnen und Soldatinnen – zog sich dabei wie ein roter Faden durch die Veranstaltung. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass im Zentrum der ehrenamtlichen Arbeit von WIIS.de der Anspruch steht, Frauen in der Außen- und Sicherheitspolitik zu vernetzen, sichtbarer und stärker zu machen.

Nach einer offiziellen Begrüßung durch Annette Denove, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der bayerischen Landesvertretung und die Vorsitzende des Vereins, Dr. Constanze Stelzenmüller, Senior Transatlantic Fellow beim German Marshall Fund in Berlin, nahm die Gründungsvorsitzende von WIIS.de und Leiterin der Forschungsgruppe "Asian Perceptions of the EU" an der FU Berlin, Dr. May-Britt Stumbaum, die TeilnehmerInnen mit auf eine spannende Zeitreise zurück in die Gründungsphase von WIIS.de.

Stumbaum betonte insbesondere, dass sich das Netzwerk schon seit der Entstehung 2003 keineswegs als Gegenentwurf, sondern als notwendige Ergänzung bestehender Austauschforen versteht, was sich auch in der stetig wachsenden Mitgliederzahl von mittlerweile über 300 niederschlägt. Die Konferenz biete daher einen hervorragenden Rahmen, den zurückgelegten Weg zu reflektieren und gemeinsam neue Ziele zu bestimmen.

Normative Kraft und begrenzte materielle Fähigkeiten

Dass sich außen- und sicherheitspolitische Ziele vor allem aus einer gründlichen Bestandsaufnahme des aktuellen Handlungsrahmens ableiten müssen, machte Dr. Emily Haber, Staatssekretärin des Auswärtigen Amtes, in ihrer Keynote-Rede besonders deutlich. Mit Blick auf die europäische Außen- und Sicherheitspolitik und deren Wahrnehmung und Wirkungskraft nach innen und außen zeigte sie sowohl drängende Fragen in der institutionellen Weiterentwicklung und Politikgestaltung, beispielsweise im Kontext der Nachbarschaftspolitik, als auch die entscheidenden Stellschrauben für eben diese auf. Zentral sei dabei, den vermeintlichen Konflikt zwischen einer normativen Kraft, die eine besondere Verantwortung der EU auch außerhalb ihrer Grenzen impliziert, und begrenzten materiellen Fähigkeiten, positiv zu wenden durch eine sorgfältige Bewertung der eigenen Gestaltungsmöglichkeiten.

Einem sehr konkreten Aspekt dieser Gestaltungsmöglichkeiten widmete sich im Anschluss die Podiumsdiskussion „Anspruch und Wirklichkeit - Außen- und Sicherheitspolitik im Einsatz“, die im Rahmen einer Medienkooperation mit dem Deutschlandradio aufgezeichnet wurde. Flottillenarzt Wiebke Frank und U.S. Navy Commander Michele A. Poole, berichteten im Gespräch mit Peter Lange, Chefredakteur von Deutschlandradio Kultur, aus erster Hand von ihren beruflichen und ganz persönlichen Erfahrungen im Einsatz in Rahmen der EU NAVFOR Somalia – Operation Atalanta und der internationalen Schutztruppe in Afghanistan.

Beide lieferten dabei nicht nur einen spannenden Einblick in ihren Arbeitsalltag im Einsatz, die Kooperation mit lokalen Partnern die Begegnung mit der Bevölkerung vor Ort und die Rückbindung des Militärs in den entsendenden Gesellschaften, sondern vermittelten auch den Eindruck eines neuen, innovativen und möglicherweise sogar spezifisch weiblichen, militärischen Führungsstils.

Veränderter Handlungsspielraum Deutschlands

Mit der von Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks, moderierten Podiumsdiskussion „Erwartungen an deutsche Außen- und Sicherheitspolitik nach der Wahl“ wandte sich die Konferenz wieder der großen Politik zu. Im Mittelpunkt stand insbesondere die Frage, wie sich die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik im Spiegel einer Vielzahl von gesellschaftlichen, europäischen und internationalen Erwartungen in den kommenden Jahren entwickeln sollte.

Die mittlerweile emeritierte Professorin für Außen- und Internationale Politik an der FU Berlin, Dr. Helga Haftendorn, betonte den veränderten Handlungsspielraum Deutschlands nach dem Ende des Kalten Krieges und verband die Feststellung einer gestiegenen Verantwortung auch mit einer Forderung nach einer aktiveren Rolle in der Welt, gerade in der Bewältigung internationaler Krisen.

Elke Hoff, MdB a.D. und langjähriges Mitglied des Verteidigungsausschusses im Bundestag, führte die Tatsache dass Deutschland diese Rolle bisher nicht eingenommen hat, vor allem auf einen Aspekt zurück: Das Fehlen einer kohärenten nationalen Sicherheitsstrategie, die nicht nur für die eigenen Erwartungen, sondern auch für die der internationalen Verbündeten, einen klaren Bezugsrahmen verschaffen würde.

Auch vor dem Hintergrund der NSA-Affäre forderte Dr. Franziska Brantner, MdB und ehemalige außenpolitische Sprecherin der Grünen im Europäischen Parlament, vor allem eine gemeinsame europäische Antwort auf die brennenden Fragen der internationalen Sicherheitspolitik und eine Weiterentwicklung des erweiterten Sicherheitsbegriffs auch in der praktischen Umsetzung.

"Age of the Unthinkable"

Anknüpfend an die Empfehlung des Panels, neben klaren Strategien auch wieder aktiver auf multilaterale Foren zurückzugreifen, stellte Dr. Stefanie Babst, Leiterin des strategischen Analyse- und Planungsstabs des NATO-Generalsekretärs, in den Fokus ihrer Keynote-Rede einen Ausblick auf zukünftige Risiken für das transatlantische Bündnis.

Gerade die Tatsache, dass Staaten längst nicht mehr die einzigen relevanten sicherheitspolitischen Akteure sind und die fortschreitende Globalisierung auch in der Außen- und Sicherheitspolitik ein „Age of the Unthinkable“ eingeläutet hat, macht ein strategisches Umdenken, hin zu einer stärker prozessorientierten Außenpolitik unabdingbar.

Auch wenn multilaterale Organisationen wie die NATO immer ein Spiegel verschiedener politischer Kulturen bleiben werden und müssen, gilt es gemeinsame, kohärente und vor allem konkrete Handlungsstrategien zu entwickeln und sich statt Verfallsrhetorik einer klaren Prioritätsordnung zuzuwenden.

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen als zentralen Pfeiler des transatlantischen Bündnisses beleuchtete in seinen anschließenden Remarks Botschafter John B. Emerson als Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin. Neben der Frage, wie einem möglichen Vertrauensverlust im Zuge der NSA-Affäre sowohl in den Vereinigten Staaten selbst als auch in den bilateralen Beziehungen begegnet werden kann, widmete sich Botschafter Emerson auch dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union, in dem er die historische Chance verortete, ein „Megaphon“ für gemeinsame Interessen und Werte in einer sich ständig verändernden Welt zu schaffen.

Veränderte Rolle von Frauen in der Bundeswehr

Die abschließende Podiumsdiskussion „’We’ve come a long way?’ - Frauen und Sicherheitspolitik“ wurde von einem Impulsstatement des Generalinspekteurs der Bundeswehr, General Volker Wieker, eröffnet, der in seinem Vortrag den langen Weg nachzeichnete, den Frauen in der Bundeswehr und die Bundeswehr gemeinsam mit ihnen in den vergangenen Jahren zurückgelegt haben. Doch anstelle einer verklärten Rückschau sei es insbesondere wichtig, den Anspruch, Sicherheitspolitik gesamtgesellschaftlich und inklusiv zu gestalten, nicht aus den Augen zu verlieren.

Nicht nur die Zahl, auch die Rolle von Frauen in der Bundeswehr habe sich stark verändert. Dies anzuerkennen und als Bereicherung zu verstehen, sei auch ein wichtiger Aspekt in der Weiterentwicklung moderner Sicherheitspolitik.

Mit einem solchen ‚neuen Denken’ befasste sich auch das anschließende Panel, das von Dr. Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift ‚Internationale Politik’, moderiert wurde. Gemeinsam mit dem Generalinspekteur diskutierte eine der Gründerinnen von WIIS, die Abrüstungsexpertin und emeritierte Professorin für Internationale Beziehungen, Professor Catherine McArdle Kelleher, über den Bedarf an kreativen, strategischen Ansätzen, um sicherheitspolitischen Herausforderungen effektiv und effizient begegnen zu können.

Hierzu ist es auch unabdingbar, den Austausch zwischen Politik und Wissenschaft weiter zu vertiefen und eine gemeinsame Sprache zu finden. Dass sich das zentrale Forum für die Entwicklung solcher Ansätze, die Sicherheitscommunity, in den vergangenen Jahren vor allem in Deutschland stark verändert hat, unterstrichen auch Dr. Eva Gross, Senior Analyst am Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien und Dr. Claudia Major, Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Durch eine spürbare Öffnung der Ministerien, Think Tanks, Unternehmen und Forschungseinrichtungen habe sich auch die Debatte über Sicherheitspolitik in Deutschland zunehmend internationalisiert, verjüngt und vor allem – verweiblicht. Auch wenn institutionelle Beharrungskräfte gerade im Bereich der harten Sicherheitspolitik weiterhin wirken, ist doch die Herausbildung neuer Stimmen, neuer Fragen und neuer Lösungsansätze zu beobachten.

Dies fand auch Eingang in das Schlusswort von Dr. Constanze Stelzenmüller, die betonte, dass gerade Veranstaltungen wie das Symposium einen wichtigen Beitrag zur Überwindung dieser Sprach- und Denkbarrieren leisten könne und sich WIIS.de dieser Aufgabe auch weiterhin widmen werde.

Magdalena Kirchner