Was Ende November 2013 als Protest gegen die Entscheidung der ukrainischen Regierung begann, das unterschriftsreife Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen, hat sich zu einer Kette von innenpolitischen, regionalen und auch globalen Krisen entwickelt. Mit den Ursachen, Dynamiken und Folgen dieser Entwicklung hat sich WIIS.de gemeinsam mit der Youth Atlantic Treaty Association Germany (YATA) und dem Mercator Program Center for International Affairs (MPC) in einer Podiumsdiskussion am 31. März 2014 befasst.

Nach einer Einführung durch Arslan Deichsel vom MPC und Dr. Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift "IP - Internationale Politik" und Vorsitzende von WIIS.de, diskutierte Magdalena Kirchner, WIIS.de-Mitglied und Leiterin des YATA Regionalforums Berlin, mit den Panellisten über die Auswirkungen der Krise aus der ukrainischen, russischen und internationalen Perspektive.

Auf Messers Schneide: Die politische Zukunft der Ukraine

Kann sich die Ukraine nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch innenpolitisch stabilisieren? Oder droht vor dem Hintergrund ethnischer Spannungen neben dem Bankrott auch gleich noch ein Staatskollaps? Gabriele Baumann, Leiterin des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, appellierte in ihrem Eingangsstatement auch an die Europäische Union, die neue Regierung auf ihrem Weg entschlossen und auch mit materieller Unterstützung zu begleiten. Die Tatsache, dass auch eine gesellschaftliche Versöhnung durch den Verlust der Krim und die angespannten Beziehungen zu Russland nicht unbedingt einfacher geworden ist, muss auch in der Zusammenarbeit auf zivilgesellschaftlicher Ebene besondere Berücksichtigung finden. Welche innen- und regionalpolitischen Folgen hat die Annexion der Krim für Russland selbst und auf welcher Grundlage kann verloren gegangenes Vertrauen in Moskaus Beziehungen zum Westen wiedergewonnen werden?

Annexion = Isolation? Folgen für die russische Nachbarschaftspolitik

Liana Fix, WIIS.de-Mitglied, Associate Fellow am Zentrum für Mittel- und Osteuropa der Robert-Bosch-Stiftung an der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Alumna des Mercator Kollegs für Internationale Aufgaben, konstatierte vor allem, dass Russland sich durch seine aggressive Außenpolitik nicht nur in Osteuropa auf lange Sicht isoliert hat. Gerade im Hinblick auf die zu erwartenden negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise implizieren die aktuellen Ereignisse, dass Russland sowohl vor einer innen- als auch vor einer außenpolitischen Zeitenwende steht.

Eine neue Eiszeit? Russland und der Westen

Und auch an der internationalen Staatengemeinschaft, besonders aber an EU und NATO, sind die Krise in der Ukraine und ihre regionalpolitischen Folgen nicht spurlos vorbei gegangen. Macht die Angst vor einer russischen Expansionspolitik die NATO wieder „sexy“? Ministerialdirigent Ekkehard Brose, ehemaliger Gesandter an der deutschen NATO-Botschaft in Brüssel und Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik, lobte zunächst die Krisenpolitik Brüssels, die einerseits auf eine Rückversicherung der östlichen Mitgliedsstaaten setzte, andererseits aber Kanäle für eine mögliche Wiederannäherung offen ließ. Ohne eine Rückkehr zu einem kooperativen Verhältnis zwischen Russland und dem Westen, gerade in Bezug auf Mittel- und Osteuropa, dürfte sich auch der politische Neubeginn in der Ukraine kaum bewerkstelligen lassen.

Etwa 80 Besucherinnen und Besucher hatten sich im Projektzentrum Berlin der Stiftung Mercator eingefunden. Viele nutzen im Anschluss an die Debatte auf dem Podium die Gelegenheit zu vertiefenden Fragen oder bereicherten die Diskussion durch zusätzliche Aspekte. Im Fokus standen dabei insbesondere die wirtschaftlichen Entwicklungen Russlands und der Ukraine sowie aktuelle Demokratisierungs- und Autokratisierungstrends in beiden Ländern. Ebenso angeregt diskutiert wurden Fragen der Energiesicherheit, der zukünftigen bündnispolitischen Einbindung Kiews und anderer post-kommunistischer Staaten sowie die Rolle regierungskritischer und vor allem sozialer Medien.

Magdalena Kirchner