Am 5. Oktober ist Dr. Sylke Tempel urplötzlich aus unserer Mitte gerissen worden. Sie, die durch so viele Stürme im Leben und in Debatten unerschrocken vorangegangen ist - immer mit einem kecken Lächeln und scharfen Argumenten -, wurde uns von einem Sturm genommen. Seit 2013 hat Sylke die deutsche Sektion der Organisation Women in International Security (WIIS.de) ehrenamtlich geleitet. In jenem Sturm hat WIIS.de ihre leidenschaftliche Vorsitzende verloren, - und wir alle eine einzigartige Freundin.

WIIS.de formierte sich in den frühen 2000ern gerade als vage Idee in den Köpfen einiger tollkühner Frauen der sicherheitspolitischen Community, da lebte Sylke diese Idee bereits mit vollem Einsatz und aus voller Überzeugung. Ihr Credo: Themen setzen und Frauen befördern, ihre Themen mit Eloquenz und Expertise voranzutreiben. Sie war eine der führenden außen- und sicherheitspolitischen Expertinnen und ihre Urteilskraft und ihre klare, stets spitze Feder wurden weit über Deutschland hinaus gesucht und geschätzt. Sie hat darüber hinaus über kluge Frauen geschrieben; sie hat zaghafte Frauen ermutigt, starke weiter bestärkt und uns alle beständig motiviert, sich Chancen zu suchen und sie zu ergreifen. Immer ging es ihr um Augenhöhe, ob sie mit der Praktikantin oder der Präsidentin sprach. Ihre Leidenschaft lebte sie beruflich wie im Ehrenamt, bei Runden Tischen oder im Freundeskreis. Sie hatte ein bemerkenswertes Talent, Menschen zusammen zu bringen. So gab sie den Schreibenden unserer Zunft als Chefredakteurin in ihren Zeitschriften „Internationale Politik“ und „Berlin Policy Journal“ selbstverständlich ein Forum, ihr Können zu zeigen und ihre Perspektiven zu verbreiten.

Leicht hätten ihr Mut, ihre Wortgewandtheit und Präsenz einschüchtern können. Nicht jedoch bei Sylke: Ihr großes Herz, ihr Strahlen und ihre fürsorglich-fordernde Art haben uns motiviert, an uns zu glauben. Sie wollte, dass wir das Beste aus uns herausholen und nicht einfach aufgeben, wenn es schwierig wird. So war es keine Seltenheit, dass sich Sylke mit einem “Nein, das schaff ich nicht” nicht zufrieden gab und weder vorgeschobene Zeitnöte noch Zweifel am eigenen Wissen gelten lies, wenn sie mal wieder eine Diskussionsrunde zu besetzen hatte. Sie schaute einen dann mit diesem bohrenden Blick an, begleitet von einem ungeduldigen Zucken im Mundwinkel, und sagte etwas wie: „Und ob du das kannst! Und anschließend gehen wir feiern!“

WIIS.de hat als Verein unschätzbar von ihrer fröhlichen Energie profitiert. Vereinssitzungen unter Sylkes Führung waren immer kurzweilig und inspirierend. Sie hat neue Formate und ein relevantes Leistungsangebot auf den Weg gebracht. Sie hat immer offen diskutiert und viele Türen geöffnet. Selbst trockensten Agenda-Punkten hat sie mit einem derben Witz oder wunderbaren Mansplaining & Co – Anekdoten Schwung gegeben. Wenn gar nichts mehr half, schmiss Sylke eine Runde, schwärmte von einem guten Single Malt und gluckste vergnügt über ihre englische Übersetzung von Kaiserschmarrn im letzten Skiurlaub.

Das, wofür WIIS.de steht – Frauen zu vernetzen und sichtbar zu machen - vergaß sie nie in all den Sitzungen, Workshops, Debatten, Weihnachtsfeiern und Sommerfesten. Frauen zu fördern, war für Sylke nicht nur Profession. Es war ihre Leidenschaft. Sie war fest davon überzeugt, dass wir gemeinsam stärker sind, und sie setzte alles – ihre Zeit, ihre Ideen, ihre Motivation, ihr Netzwerk, ihre Plattformen, ihr Herz – dafür ein.

Mit Sylke verlieren wir die außergewöhnliche Persönlichkeit, diese „Voll-Frau“, die so viele treffend in Nachrufen und Trauerbekundungen beschrieben haben. Und ja, bestimmt: Sie wäre die Erste gewesen, die diese in den sozialen Medien, ihrer Arena, gelesen, geteilt, kommentiert, genossen oder zerrissen hätte. Ein Hashtag (#stopwining oder #continuegrowing) wäre sicher dabei gewesen.

Sie war stolz auf uns und das Erreichte und wurde nie müde zu betonen, dass WIIS.de noch lange nicht am Ziel ist. Mit Sylke haben wir eine Mentorin, Freundin, Vorbild und einen Fels verloren. Ihr Licht bleibt. Ihre Ideen, ihre Ziele.

Sylke, Du hast uns immer wieder daran erinnert, auch in schweren Zeiten an uns zu glauben, uns aneinander aufzurichten, gemeinsam die Schritte zu gehen, die der Einzelnen oft zu schwer erscheinen. Wir vermissen Dich unglaublich und werden diese Schritte nun ohne Dich gehen müssen. Aber wir werden sie gehen. Das sind wir Dir schuldig. Das sind wir uns schuldig.

Danke Dir für alles.

Der Vorstand von Women in International Security Deutschland e.V. im Namen der Mitglieder